Zwei Wochen Unterricht zuhause in der Zeit vor den Osterferien. So mancher wird sich darüber zunächst gefreut haben. Zu den wirklich traurigen Dingen, auf die wir in der Zeit verzichten mussten und in diesem Schul- und Kalenderjahr wegen der Corona-Krise leider auch weiterhin verzichten müssen, gehört für die Lateiner der 6b das LATEINTHEATER. Die Schule musste an einem Montag geschlossen werden, nur zwei Tage später hätte die erste Aufführung stattfinden sollen. Alles war fertig, wir waren fertig, und dann wurden wir leider überrascht…
Seit Ende Oktober haben die Schülerinnen und Schüler der 6b mühsam und unter manchen Flüchen ihre lateinische Textpartie und die nötigen Einsätze für ihren Auftritt auswendig gelernt und teils unter manchem Lachanfall, teils unter stetiger Selbstüberwindung und teils sehr souverän sich in vielen Probestunden angeeignet. Dabei lernten doch viele, lauter und deutlicher zu sprechen, die Hände einzusetzen, die Mitschüler anzufassen, nicht immer zur falschen Zeit zu kichern, Rücksicht auf die Spielenden zu nehmen, konstruktive Kritik zu üben und meine Nerven nicht überzustrapazieren. Die Klassen 5a und 5b haben unterdessen so manche Musikstunde bei Herrn Albert damit verbracht, den lateinischen Chorpartien den nötigen Schwung zu verleihen. Auch sie haben sich auf die Aufführungsabende gefreut und werden enttäuscht sein, weil Herr Albert sie mit seiner gewohnten Mischung aus Hingabe und Gelassenheit so gut vorbereitet hatte – und jetzt: Alles umsonst?
Ja, wir werden auf unsere beiden Aufführungen verzichten müssen. Wie unnatürlich sähe ein Spielen in römischen Kostümen und modernem Mundschutz aus? Wie liefe die „Liebesszene“ mit einem Mindestabstand von zwei Metern? Wie sollten 22 Schauspieler und fast 60 Chorsängerinnen und Sänger die Bühne bevölkern? Wie traurig wäre es, ohne ein Publikum mit stolzen Eltern und schmunzelnden weiteren Gästen in der gut gefüllten Aula zu spielen? Undenkbar, also alles umsonst?
Nein, höchstens oberflächlich gesehen, denn das gemeinsame Theaterspielen lebt zwar auf die Termine der Aufführungen hin, lässt aber die Schauspieler auch auf dem Weg dahin profitieren. Damit man sich ausmalen kann, was man als Zuschauer verpasst hat, hier ein kleiner Ausschnitt:
In unserem Stück geht es um die Neubesetzung des angesehenen Amtes einer Priesterin, einer Vestalin. Um diesen begehrten Posten konkurrieren zwei angesehene römische Familien mit ganzem Einsatz, sowohl mit der Vorbereitung auf die dazugehörige Prüfung als auch mit Hilfe von Intrigen.
Den mit Abstand größten Sprechanteil hätte die Mutter einer jungen Bewerberin um diesen Posten übernommen, und Aurélie hätte diese Rolle einer durchsetzungsstarken, ehrgeizigen, etwas eitlen Dame charmant und souverän verkörpert und sicherlich einen besonders starken Applaus verdient. Zusammen mit ihrer Tochter, gespielt von Jennifer, ihrer Sklavin Amelie und einer mit ihrer Familie konkurrierenden Mutter-Tochter-Konstellation, Hasti und Sophie, hätte sie die beiden Ehemänner, Isa und Noel, lächerlich unwichtig erscheinen lassen. Diesen beiden bliebe zwischendurch nichts anderes übrig, als sich zusammenzutun und in der Kneipe abzutauchen. Der Kneipenwirt, gespielt von Thomas, hätte zwischendurch auch als Erzähler gedient, und Thomas hätte seine schwierige Aufgabe, als erster auf die Bühne zu kommen und alle neugierig auf die Geschichte zu machen, gut gemeistert.
Auch der Ehemann Isa wäre in einer Doppelrolle zu sehen gewesen, die er sich selbst überlegt hatte. Als kleiner Liebesgott mit Flügeln, Pfeil und Bogen hätte er in den Liebesszenen für die gewünschte romantische Atmosphäre gesorgt, denn ein Liebespaar als Sechstklässler zu spielen, ist mehr als mutig, und er hätte den beiden „Verliebten“, Jennifer und Mayan, geholfen, die nötige Nähe herzustellen. Das wäre ebenfalls der Job von Jakob gewesen, der die beiden zusammenbringen sollte und „Flirtübungen“ mit ihnen einstudieren musste – eine witzige Szene.
Für einige Lacher hätten sicherlich außerdem die vier Lehrer gesorgt, Georg, Mads, Emil und Finn, die mit ihrer Arroganz trotz fehlendem Wissen die weibliche Bewerberin um das Amt in die Flucht getrieben hätten. Auch der Medicus, Experte für Fußpilz und diverse Salben, gespielt von Johann, hätte in seiner Absicht, die Bewerberin zu optimieren, sicher manches Gelächter ausgelöst.
Lateintheater ohne den Einsatz des riesigen Hammers von Herrn Leißring, ohne die Nebelmaschine der Technik wäre nicht denkbar. So viel Tradition muss sein! Wen hätte diesmal der Hammer getroffen? Den Oberpriester, der in diesem Stück von Nils mit der nötigen Würde gespielt wird, der aber weniger auf die religiöse Fähigkeit der Vestalinnen Wert gelegt hätte als auf deren attraktives Äußeres. Zum Glück hätte es noch die von Tamika durchsetzungsstark gespielte Obervestalin gegeben, die die größten Defizite des Oberpriesters mit Charme zu überspielen wüsste. Ihr unterständen zwei routinierte Vestalinnen (Martha und Elisa), die ihre tänzerischen und harmonischen Fähigkeiten um das rauchende Herdfeuer (Nebelmaschine) herum hätten unter Beweis stellen müssen. Damit das eine Team immer von den Machenschaften des konkurrierenden anderen erfährt, sollte Henriette als schwatzhafte, alles ausplaudernde Nachbarin von Haus zu Haus stürmen. Wie das Stück ausgegangen wäre? Typisch für eine Komödie natürlich. Die klügste Person von allen, verkörpert von der ständig gedemütigten Sklavin Charlotte, hätte sich zur heimlichen Hauptperson gemausert.
All das wäre ohne eine ordnende Kraft im Hintergrund gar nicht möglich, womit Ellas Aufgabe grob beschrieben wäre. So wie an sie, die für all die Requisiten zuständig gewesen wäre und bei allen Proben eine gefragte und korrigierende Zuhörerin war, muss natürlich auch noch ein Lob an Luca-Marie und Elisabeth aus dem Lateinprofilkurs des Q1-Jahrgangs gehen. Die beiden haben hilfsbereit für einige Stunden Proben übernommen. Einen riesigen Applaus hätten sich auch Carla und Johann (9a) aus dem künftigen Lateinprofil verdient, die zum zweiten Mal die Übersetzerfunktion übernehmen wollten und sich schon beim Probenwochenende bewährt hatten. Parallel zu unseren Proben hat die Band um Carl Silberbach sich um den typisch Leißringschen Sound bemüht. Auch die vier Jungen haben bereits viel Zeit und Mühe investiert. Zuletzt sei natürlich auch unseren Technikern gedankt, die sich im Vorfeld schon zu drei Sitzungen mit mir getroffen und alles gedanklich mit der gewohnten Zuverlässigkeit vorbereitet hatten: Jonathan, Tom und die restliche Truppe.
Zum Schluss also steht statt des verdienten großen Applaus für euch alle nur mein allerherzlichster Dank an alle Beteiligten und Unterstützer!