Kurz vor Weihnachten war es mal wieder soweit: Der Griechischkurs Q2 sollte eine Klausur schreiben. Um dem aufkeimenden Unmut der Lerngruppe zu begegnen und die ungewöhnliche Experimentierfreude der Schülerinnen und Schüler auszunutzen, entschloss sich die Lehrkraft, ein neues Format auszuprobieren: Es sollte eine Open-Book-Klausur wie an der Uni werden. Das bedeutet, dass alle Hilfsmittel, einschließlich Internet zur Bearbeitung genutzt werden dürfen; allerdings muss die Klausur eigenständig und ohne fremde Hilfe bearbeitet werden.
In der Praxis gestaltete sich das folgendermaßen: Die Lehrkraft suchte hektisch am Wochenende vor der Klausur einen passenden Übersetzungstext zur Herodotlektüre (soweit war alles wie immer); allerdings durfte dieser weder in deutscher noch englischer oder französischer Übersetzung im Netz zu finden sein. Das schließt naturgemäß alle antiken Schulautoren aus, so dass sich die Lehrkraft irgendwann durch unzählige byzantinische Geschichtsschreiber quälte und dort tatsächlich fündig wurde. (Und wundersamerweise ein paar Tage später sogar einen weiteren Text für die obligatorische Nachschreibklausur fand!).
Um den Prüflingen Arbeit zu ersparen, wurde der Text dann auf „Hellenike“ (das griechische Pendant zu „Lateinlex“) als Klausur eingerichtet, so dass er komplett online mit den dort möglichen Hilfen bearbeitet werden konnte; einen Tag nach der Klausur wurde dann auch die Musterlösung freigeschaltet.
Am Tag der Klausur selbst fanden sich alle wie üblich ein, bewaffnet mit diversen Lexika und digitalen Endgeräten. Die Lehrkraft platzierte sich hinter den Probanden, um die Bildschirme im Blick zu behalten – und dann konnte es losgehen. Die Schülerinnen und Schüler arbeiteten je nach persönlicher Vorliebe komplett online oder bearbeiteten einzelne Aufgaben auf Papier. Am Ende wurden die Klausuren per Mail oder Hand eingesammelt, bis auf eine, deren Sender, ein Schullaptop, keine Akkulaufzeit mehr hatte – ein Fall für den Nachschreibtermin.
Im Ergebnis zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler zum einen von ihren Recherchemöglichkeiten profitierten, zum anderen sich aber auch in kurzer Zeit in eine ihnen fremde Zeit einarbeiten mussten. Dadurch wurden die sprachlichen Hilfen soweit konterkariert, dass das Klausurergebnis einigermaßen differenziert ausfiel. Das Fazit der Gruppe war überwiegend positiv – und die Lehrkraft kann sich gut vorstellen, dieses Format bei passender Gelegenheit wieder einzusetzen.
viv@t-Redaktion