Hallo, ich bin Bruno Haase und ich war für vier Monate in Japan und erzähle euch ein wenig von meinem Aufenthalt.
Letztes Jahr habe ich mich dazu entschieden, einen Austausch zu machen. Meine ersten Gedanken gingen in Richtung Asien und da für mich in Asien nur Japan in Frage kam, entschied ich mich, für sechs Monate nach Japan zu gehen und dort in einer Gastfamilie zu leben.
Am 18. April flog ich von Frankfurt nach Tokyo. Meine Gastfamilie lebt in Kashiwa, einer 420.000 Einwohner großen Stadt, die ziemlich zentral und im Osten ca. 45 Minuten von Tokyo entfernt liegt. Meine ersten Eindrücke von Japan waren die drückende Hitze und die Hochhäuser in Tokyo, was in sehr großem Kontrast zum deutschen Klima und deutschen Wohn- und Bürogebäuden steht.
Ich wurde mit den anderen Schülern nach der Landung für fünf Tage in einem Hotel in Tokyo untergebracht, wo wir einerseits Vorbereitungsseminare hatten, aber die Zeit auch als Quarantäne genutzt wurde. Am letzten Tag durften wir ein wenig Tokyo erkunden und es war sehr spannend: Zwar waren Hitze und Feuchtigkeit anstrengend, die Stadt jedoch war unglaublich interessant. Die Hochhäuser, die Autos und die Menschen – eigentlich war alles anders als in Deutschland.
Meine Gastfamilie holte mich am sechsten Tag ab und wir fuhren mit dem Zug nach Kashiwa, wo ich für die nächsten 4 Monate leben würde. Ich war kein großer Fan von Zügen, da sie in Deutschland häufig nicht pünktlich kommen, teils überfüllt sind und manchmal alles drunter und drüber geht. In Japan ist das ganz anders, denn diejenigen, die einen Zug nehmen wollen, stellen sich in Reihen vor markierten Stellen auf und dort werden auf den Zentimeter genau die Türen öffnen. Alles läuft sehr geordnet und schnell ab; klar, die Züge sind teils arg voll, aber damit muss man wohl leben.
Ich konnte am ersten Abend direkt meine ganze Gastfamilie kennenlernen: Ich hatte einen Gastbruder, zwei Gasteltern und lebte in einem normal großen Haus, nah an der Straße. Die Schwester meiner Gastmutter lebt mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann direkt neben meinem Haus, also hatte ich eher zwei Gastfamilien als eine einzige.
Alle waren ausgesprochen nett zu mir und anfangs verständigten wir uns zum Großteil auf Englisch, nicht Japanisch, da es für mich zu schwer war. Ich hatte vor meiner Abreise ca. ein halbes Jahr Japanisch-Unterricht gehabt, jedoch war es in der Praxis deutlich schwerer, als ich gehofft hatte. Man kann die japanische Sprache nicht mit westlichen Sprachen vergleichen und allein deswegen ist es schwer, Sätze zu formulieren. Die Satzstruktur und die Funktionsweise der Sprache sind insgesamt ganz anders als bei den Sprachen, die ich bis dahin gelernt hatte.
Der erste Schultag startete für mich um viertel vor sieben, da mein Schulweg 50 Minuten lang war und der Unterricht um acht Uhr dreißig begann. Es war aufregend, aber auch ein wenig unangenehm, denn ich wurde von dem Großteil der Schüler beäugt. Ich denke mal, das ist normal, denn in Japan sind nur 1,6 Prozent der Einwohner Ausländer; zum Vergleich: In Deutschland sind es 27 Prozent. Dann habe ich Fotos mit einigen Schülern und Schülerinnen gemacht, was sich surreal, aber auch ein wenig aufregend angefühlt hat.
Direkt am ersten Tag hatte ich Judo; unheimlich interessant und völlig anders als der Sportunterricht in Deutschland. Man hat sich verbeugt, was man auch am Anfang jeder neuen Unterrichtsstunde tut, und damit dem Lehrer Respekt zeigt. Wir haben im Judounterricht oft Würfe oder wie man sich abrollt geübt, was ausgesprochen viel Spaß machte.
In den folgenden Stunden habe ich versucht, den Lehrern zu folgen, jedoch sprachen sie so schnell und die Handschrift der Schriftzeichen war teilweise unmöglich zu lesen. Der Englischunterricht dort war für mich vergleichsweise einfach, da ich das meiste aus dem Unterricht schon in Deutschland gelernt hatte. Die Schule endete, wie jeden Tag, um 15:30 Uhr und dann ging es zum Fußballplatz der Schule, wo das schuleigene Team fast jeden Tag nach der Schule für 1,5 bis 2,5 Stunden Training hatte. Das war für mich besonders anstrengend, aber je mehr ich die japanische Lebensweise lebte, desto besser verstand ich sie auch und lernte sie zu schätzen. Das Training war häufig hart und nach zwei Stunden fuhr ich 50 Minuten mit demZug und dem Bus nach Hause und war fix und fertig.
Ich war wirklich von der Disziplin und Genauigkeit beeindruckt, mit der das Schulleben abläuft. Die nächsten Wochen waren anstrengend sowie spannend, interessant und spaßig. Ich habe schnell viele neue Freunde gefunden, besonders im Fußballteam, und bin mit zwei Freunden nach einer Woche zusammen Fußballschuhe kaufen und danach essen gegangen.
Ich bin manchmal am Wochenende mit meinem Gastvater zu lokalen Fußballteams ins Stadion gefahren, da er überraschend viele Beziehungen zu Trainern und Spielern hat. Auch fuhr ich nach Tokio ins Olympiastadion, um das Freundschaftsspiel Brasilien gegen Japan anzuschauen. Für mich war es das erste Länderspiel in so einem großen Stadion und die Atmosphäre plus das Spiel ergaben eine schöne Erinnerung.
In der Schule lief es gut und mein Japanisch verbesserte sich auch deutlich, da ich viel nach der Schule lernte. Ende Mai durfte ich mit meinem Gastonkel und Gastcousin nach Kyoto fahren, die kulturreichste Stadt in Japan. Wir blieben für drei Tage und besuchten viele Tempel, die wirklich äußerst interessant waren und die ich niemals vergessen werde.
Im folgenden Monat wurde es wärmer und wärmer und der Alltag dadurch anstrengender. Das Training war besonders schwer bei der Feuchtigkeit und das Tragen der Maske – praktisch überall – war mühselig. In dieser Zeit war ich häufig in Tokio, die wohl beeindruckendste Stadt für mich, wo ich mit meiner Gastfamilie die verschiedenen Stadtteile erkundet habe.
Anfang Juli fuhr ich mit meiner Gasttante, Gastonkel und meiner Gastcousine nach Karuizawa, eine, für japanische Verhältnisse, sehr waldreiche und naturreiche Gegend in Zentraljapan. Für mich, der in den letzten Monaten fast ausschließlich in der Stadt oder Vororten gewesen war, war es eine Art Luxus, auch die Natur genießen zu können. Wir blieben für zwei Tage in einer Holzhütte nah am Wald und besonders die Luft und die Atmosphäre standen im Gegensatz zu der urbanen Seite Japans, die ich zuvor gewohnt war. Ich muss dazu sagen, dass meine Gastfamilie, im Vergleich zu anderen japanischen Familien, sehr wohlhabend ist und ich es ihnen zu verdanken habe, solche Ausflüge und Reisen überhaupt machen zu können.
Doch dann ging es wieder zurück in den Alltag, aber nicht zu lange, denn bald waren Sommerferien. Der Abschied von meiner Klasse und den Lehrern fiel mir nicht ganz leicht, da sie ausgesprochen nett und hilfsbereit zu mir waren. Die letzten Wochen in den Ferien vergingen schnell, ich traf mich mit Freunden, hatte jeden Tag Fußballtraining oder unternahm viel mit meiner Gastfamilie. Ich durfte Yokohama, den Skytree in Tokyo, eine wahnsinnig spannende Autosammlung, das Meer und das Disney Resort besuchen.
Die Ferien waren sehr schön für mich und ich konnte noch einige schöne Erinnerungen sammeln. Dann hieß es Abschied nehmen: Am 10. August flog ich wieder nach Deutschland und verließ mein Zuhause, in dem ich vier Monate wohnte.
Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Reise machen durfte und kann es nur jeder Person empfehlen, die Lust hat, neue Erfahrungen zu sammeln und mal etwas anderes zu erleben. Denn gerade durch einen Aufenthalt in einem fernen Land lernt man Dinge wertzuschätzen, die vorher ganz normal für einen waren. Außerdem erkennt man Vor- und Nachteile seines Heimatlandes und bekommt durch die Unterschiede in der Kultur oder der Lebensweise ganz neue Ansichten und hat die Möglichkeit, an sich selbst zu wachsen.
Ich danke dem Katharineum, dass ich diesen Aufenthalt machen durfte. Wenn ich erneut die Möglichkeit zu einem Aufenthalt in einem fernen Land hätte, würde ich sie ergreifen, denn man hat wirklich nicht oft die Möglichkeit, im Ausland in einer Familie zu leben, zur Schule zu gehen und somit die Kultur auf die bestmögliche Weise kennenzulernen.
Ich bin sehr glücklich wieder in Deutschland zu sein, jedoch gibt es einige Punkte, in denen Japan meilenweit vor Deutschland liegt, wie zum Beispiel das Bahnsystem oder die Sauberkeit. Wenn ihr tatsächlich vorhabt, für eine bestimmte Zeit im Ausland zu leben, habe ich einen Tipp für euch: Seid offen für alles. So einfach ist es, denn wenn ihr euch introvertiert verhaltet, werdet ihr sehr viel weniger Spaß haben, sowie wesentlich weniger Erfahrungen und Erinnerungen sammeln. Sobald ihr gefragt werdet, ob ihr zu etwas Lust habt, sagt einfach ja und bleibt nicht in eurem Zimmer, denn dafür seid ihr nicht in ein anderes Land gegangen.
Bruno Haase, Q1c