Im Ausland auf eine neue Schule zu gehen, in einer fremden Familie zu leben und neue Sportarten auszuprobieren, kann eine ganz tolle Erfahrung sein. Ich durfte diese Erfahrung dieses Jahr machen. Anfang Februar bin ich für ein halbes Jahr nach Vancouver in Kanada gezogen. Ich bin Mavie Vidal und gehe in die Q1c, das Geschichtsprofil der elften Klassen. In diesem Artikel könnt ihr ein wenig über meine Erfahrung bei meinem Austausch lesen.
In Kanada bin ich auf eine Highschool gegangen: die Burnsview Secondary School. Dort war ich in der zehnten Klasse. Anders als hier fängt die Highschool da erst ab der achten Klasse an und geht dann wie bei uns bis zur zwölften, nach der man dann graduated. Dementsprechend geht die Elementary School von der ersten bis zur siebten Klasse. Dadurch sind deutlich weniger jüngere Schüler:innen auf der Schule. Das Schulsystem in Kanada ist ganz anders als das in Deutschland. Man hat vier Fächer pro Halbjahr also in einem ganzen Schuljahr acht verschiedene Fächer. Da ich ja nur für ein halbes Jahr dort war konnte ich also vier Fächer wählen. Ich hatte English, Social Studies, Media Arts und PE.
Es ist so aufgeteilt, dass man jeden Tag Unterricht in allen vier Fächern hat. Mein A Fach war Sport, mein B Fach Social Studies, mein C Fach Media Arts und mein D Fach English. An Tag eins hat man dann ABCD und an Tag 2 BADC und so wechselt sich das dann jeden Tag ab. Zwischen A und B hat man ILT (Individual Learning Time). In der Zeit muss man sich bei einem Lehrer eintragen, bei dem man die Zeit in dem Klassenraum verbringt und kann dort in der Zeit zum Beispiel Hausaufgaben machen oder lernen und die Lehrer stehen dann für Fragen zur Verfügung. Zwischen den Morgenfächern und den Nachmittagsfächern hat man Lunch. Eine Stunde geht 90 Minuten lang und ILT und Lunch sind 40 Minuten. Der Schultag beginnt um 8:30 Uhr und endet um 14:50 Uhr.
Insgesamt war die Schule dort sehr einfach für mich, da sie ein ganz anderes Leistungsniveau haben als hier und man bei so wenigen Fächern natürlich auch nicht so viele verschiedene Hausaufgaben bekommt. Sport hat mir immer viel Spaß gemacht, denn es war abwechselnd in der Sporthalle und im Gym Unterricht. Im Gym haben wir viel über Muskelaufbau gelernt und sollten uns dann Trainingspläne erstellen, die wir dann dort ausführen konnten. In der Halle und auf dem Feld haben wir verschiedene Sportarten gelernt wie Basketball, Football, Baseball, Volleyball und Tanzen.
In Media Arts hat sich alles rund um Filme gedreht. Es gab immer wieder verschiedene Aufgaben, zu denen wir Videos erstellen sollten. Dabei wurde ein besonderer Fokus auf die Planung vor dem Dreh, den Dreh an sich und die Nachbereitung mit dem Schneiden der Videos gelegt.
Englisch war relativ anspruchsvoll. Dort haben wir einen Podcast gehört und dazu Projekte gemacht und ein Buch gelesen, zu dem wir in Lit Circle Gruppen gearbeitet haben. Social Studies schließlich ist wie eine Mischung aus Geschichte und Wipo, was für mich besonders interessant war, weil man sehr viel über die kanadische Politik und Geschichte gelernt hat und es außerdem interessant war, ein historisches Ereignis, wie zum Beispiel den zweiten Weltkrieg, aus einer ganz anderen Perspektive zu lernen.
Tatsächlich gibt es in in Vancouver und Umgebung sehr sehr viele Austauschschüler gerade weil zu der Zeit, als ich ins Ausland gegangen bin, Neuseeland und Australien noch ihre Grenzen zu hatten, so dass in meiner Schule mit 800 Schülern circa 60 Austauschschüler waren. Viele davon aus Brasilien, Deutschland, Japan, Italien und Spanien. Das ist auf der einen Seite toll, da man so viele Freunde aus unterschiedlichen Ländern kennenlernt, auf der anderen Seite kann es auch ein Nachteil sein, weil so die Kanadier schon sehr daran gewöhnt sind, Austauschschüler auf ihrer Schule zu haben, und es nicht mehr so besonders ist, wie an unserer Schule.
Nach der Schule gibt es ein weites Angebot an AGs, an denen man teilnehmen kann. Die Sportarten sind in seasons aufgeteilt. Es gibt also zum Beispiel Mädchen-Volleyball immer nur von Oktober bis Dezember. Ich habe Rugby gespielt von Februar bis Anfang Juni. Das war eine der besten Entscheidungen, da mir der Sport unfassbar viel Spaß gemacht hat und man so auch viele tolle Leute kennenlernen konnte.
Die Jungs-Rugby season war zur selben Zeit und so haben wir immer zusammen dienstags und donnerstags nach der Schule auf dem Feld bei der Schule trainiert. Spiele hatten wir auch immer donnerstags und sind dann früher aus der Schule gegangen, um dort hinzufahren. Rugby ist ein wirklich außergewöhnlicher Sport und ich bin so froh das ich die Möglichkeit hatte, das dort auszuprobieren. Außerdem habe ich Track gemacht. Mit dem Team sind wir auch weiter gekommen und konnten dann die Staffel mitlaufen bei den Regionals.
Unser Rugby-Trainer Curtis hat auch an unserer Schule gearbeitet als Youth Worker. Er hatte einen Raum in der Schule, wo man jederzeit hingehen konnte, wenn man mit jemanden über seine Probleme reden wollte oder eine Auszeit von allem brauchte oder sich Snacks holen wollte. Dieser Raum war ganz toll und hatte eine ganz entspannte Atmosphäre. Ich finde, darin kann man auch erkennen, dass dort in der Schule sehr viel Wert auf die mentale Gesundheit der Schüler:innen gelegt wurde.
Eine Sache, die ich hier in Deutschland sehr vermisse, ist der Schulspirit. Dadurch dass es ja Schulteams in den verschiedenen Sportarten gibt und viele dieser Spiele auch in der eigenen Turnhalle ausgetragen werden, feuert die ganze Schule sich gegenseitig an und wir hatten zum Beispiel auch im Lunch für circa einen Monat ein Handballturnier, bei dem man mit seinem Team gegen andere spielen konnte, während alle beim Lunch zugeschaut haben.
Ich hatte sehr viel Glück mit meiner Gastfamilie. Mit mein Gasteltern hatte ich zwar kein sehr enges Verhältnis, aber sie waren immer freundlich zu mir. Dafür war ich sehr eng mit meinen Gastschwestern (12 und 16). Meine Gastfamilie nimmt schon seit einigen Jahren Austauschschüler auf und sie hatten insgesamt schon circa 15. Zur gleichen Zeit wie ich waren noch zwei andere Austauschschülerinnen in meiner Familie. Eine brasilianische (16) und eine mexikanische (19). Wir haben uns sehr gut verstanden und oft zusammen gebacken, Filme geschaut, Popcorn gemacht oder Ausflüge unternommen. Außerdem hatte meine Familie eine Katze.
Zur Schule wurden wir morgens mit dem Auto gebracht und nachmittags bin ich meistens mit dem Bus nach Hause gefahren, da ich immer noch etwas vorhatte. Das öffentliche Verkehrssystem ist dort meiner Meinung nach sehr gut ausgebaut, da man auch von dort, wo ich gewohnt habe, sehr einfach nach Vancouver reinfahren konnte.
Mein Ort hieß Delta (100.000 Einwohner) und ist mit dem Sky Train circa 45 Minuten von Vancouver entfernt. Das Tolle ist, dass man sich eine Campus Card kaufen konnte, auf die man Geld geladen hat und mit der konnte man dann sehr einfach Bus und Sky Train bezahlen. Innerhalb von zwei Stunden konnte man so viel man wollte hin und her fahren auch mit unterschiedlichen Bussen für nur zwei Dollar.
Ich kannte wirklich viele Austauschschüler, die ihre Gastfamilie gewechselt haben. Ich würde schätzen, ein bisschen weniger als die Hälfte, d.h. dass es da schon oft zu Komplikationen kommen kann. Aber wir hatten eine sehr nette Homestay-Koordinatorin an unserer Schule, an die man sich wenden konnte, und das mit dem Wechsel ging auch eigentlich relativ leicht. Bei mir kam es ja zum Glück nicht dazu.
Die Stadt Vancouver ist wirklich unglaublich. Ich habe mich sehr schnell verliebt in die Stadt. Man hat so eine tolle Mischung aus Natur mit dem Stanley Park, den Bergen, dem pazifischen Ozean und Stränden und Großstadt, die abends fast aussieht wie New York. Vancouver hat jedoch ein großes Problem mit Drogenabhängigen und Obdachlosen. Die Hastings Street in East Downtown ist wirklich sehr erschreckend.
Der Schuldistrikt Delta hat mit seinen Austauschschülern regelmäßig Ausflüge organisiert. So waren wir zum Beispiel bei einem Eishockey Spiel von den Canucks, snowshoing auf dem Mount Seymour und einen Tag in Victoria auf Vancouver Island. Das waren alles sehr schöne Erfahrungen. Die Stimmung in dem Eishockey Stadion war wirklich einmalig. Zweimal war ich auch Skifahren, was in Kanada wirklich fantastisch ist. Zu dem Essen kann ich sagen, dass ich sehr glücklich bin in Deutschland zu leben 🙂 In Kanada isst man wirklich sehr viel Fast Food. Allerdings gibt es in Vancouver einen Food Market in Grandville Island, der absolut traumhaft ist. Es gibt jede Art von Essen, die man sich vorstellen kann, und ich war sehr oft dort und habe das Essen genossen.
Ich kann mich sehr glücklich schätzen, denn meine Gastfamilie hat ein Ferienhaus an der Sunshine Coast, circa 3 Stunden mit dem Auto und der Fähre nördlich von Delta, wo ich gelebt habe. Dort sind wir zweimal hingefahren und es war wirklich traumhaft schön. Von dem Haus hatte man einen direkten Blick aufs Wasser und die Natur hat mich immer wieder fasziniert. Einmal hatten wir sogar ein Reh im Vorgarten.
Ich hatte leider nicht so viel Glück mit dem Wetter, denn in dem halben Jahr, in dem ich da war, gab es den schlechtesten Frühling seit über 30 Jahren. Es hat sehr viel geregnet, doch umso mehr konnte ich dann am Ende wertschätzen, als es im Juni wärmer wurde und wir zum Beispiel die Strände und den Pazifik noch mehr ausnutzen konnten.
Ein paar meiner schönsten Erinnerungen:
Mit meinen Freunden habe ich wirklich immer viele Ausflüge gemacht und wir waren zum Beispiel einmal in North Vancouver bei glasklaren Quellen, in denen man baden konnte und von Felsvorsprüngen aus hineinspringen konnte.
Ein toller Moment war es auch, als wir bei dem Ferienhaus waren und meine kleine Gastschwester und ich vom Steg, der circa 10 m hoch war, in den Pazifik gesprungen sind.
Am Anfang meines Aufenthalts war noch die Basketball Season und da meine beiden Gastschwestern Basketball gespielt haben, konnte ich gleich zu Anfang bei ganz vielen Spielen mitfahren und mir die anschauen.
Ich war bei einem Basketballspiel in einer riesigen Halle, bei dem man auch Geld bezahlen musste, und der Punktestand war die ganze Zeit sehr knapp und als dann am Ende das eine Team gewonnen hat, haben alle Zuschauer zusammen den Basketball Court gestürmt mit lauter Musik.
Das Eishockey Spiel; die vielen Fahrten im Schulbus; das erste Mal Vancouver bei Nacht zu sehen; ein Konzert, auf dem ich mit Freunden war; der Springdance an unserer Schule; die Rugby Spiele; das Gefühl, mit unserer Mannschaft und unseren Trainern immer näher zusammen zu wachsen; und baden beim Sonnenuntergang bei Englisch Bay (Strand).
Jedoch war bei mir auch nicht alles immer super. Anfangs hatte ich sehr stark mit Heimweh zu kämpfen. Aber dadurch, dass ich diese Probleme hatte, bin ich an dieser Erfahrung gewachsen. Was ich aus dieser Zeit mitnehme, ist definitiv sehr viel mehr Selbstständigkeit, Mut, Offenheit gegenüber neuen Situationen und fremden Menschen, die Liebe zu einem neuen Sport, erweiterte Englischkenntnisse und viele viele Menschen, die ich in mein Herz geschlossen habe.
Falls du in Erwägung ziehst, einen Austausch zu machen, und die Möglichkeit dazu hast, würde ich dir raten, sie auf jeden Fall zu ergreifen. Denn auch wenn Probleme, wie zum Beispiel Heimweh, entstehen und man diese bewältigt, kann man danach sehr stolz auf sich sein.
Mavie Vidal, Q1c