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600 Tage im Amt – Unterm Kirschbaum mit Herrn Philippi

600 Tage im Amt – Unterm Kirschbaum mit Herrn Philippi

Wie war Ihr 600. Tag im Amt?

Der 600. Tag begann mit einem unerfreulichen E-Maillesen, denn meine erste E-Mail heute Morgen war, dass es einen neuen Corona-Fall am Katharineum gibt. Und es gibt schönere E-Mails.

Können Sie sich vorstellen, dass schon 600 Tage vorbei sind?!

Ja, ich war kurz am Rechnen, als ihr [die Redaktion] angefragt habt (lacht). Das sind ambivalente Gefühle, denn einerseits sagt das Gefühl: schon 600 vorbei, andererseits sagt es: War da irgendwas davor? So kommt es mir auf der einen Seite ganz schnell und auf der anderen doch langsam vor. Das ist irgendwie in der Tat, als ich 600 Tage hörte, schon komisch (lacht).

Wie unterschiedet sich der erste vom zweiten Eindruck?

Erster Eindruck (2019): Mein erster Eindruck war, dass ich hier in das Haus hereinkam und aus einer Ecke hörte man Musik, aus der anderen Ecke hörte man eine Gruppe am Proben, in einer dritten Ecke waren Schülerinnen, die vermutlich Nachhilfe gaben. Und es war 19:00 Uhr abends. Ich dachte mir, ja, genau so ist das gut; Schule ist nicht um 13:00 Uhr zu Ende.

Der zweite Eindruck unterschiedet sich nur unwesentlich, leider natürlich insofern, dass viele tolle Elemente des Katharineums aktuell nicht stattfinden. Ich hoffe sehr, dass es bald wieder anders sein kann! Ansonsten ist das so – am Katharineum ist Leben, früh und spät!

Ist etwas ganz anders gekommen, als Sie sich das vorgestellt haben?

Nein!

Was war das bisher schönste Ereignis?

Oh, das ist eine schwierige Frage, weil Ereignisse nie ausschließlich schön sind. Vielleicht kann man als Highlights, um es mal so zu beschreiben, Feste, Musicals und Ähnliches nennen. Das hat dann nur die Schwierigkeit, dass ich wahnsinnig gerne Unterricht mache und jetzt auch viele tolle Stunden genannt werden können, wo ich aus einer Stunde gegangen bin, mit dem Gefühl „wow, das war jetzt toll“! Das kann man so wahnsinnig schwer miteinander vergleichen.

Wann, würden Sie sagen, haben Sie sich richtig eingelebt?

Hm, ich gehöre zu den Menschen, die überall und nirgends zuhause sind. Von daher, ich bin sehr, sehr schnell in Lübeck angekommen, spätestens ab dem Zeitpunkt im Sommer, als meine Frau auch nach Lübeck gekommen ist. Ich habe bisher aber noch an keinem Ort das Gefühl gehabt: „Hier will ich leben, sterben und begraben sein“, das will ich auch von Lübeck nicht behaupten.

Haben Sie im Schulgebäude im Laufe der Zeit Ecken entdeckt, von deren Existenz Sie nichts wussten?

Ja, spätestens, wenn man in die Kellerkatakomben hinabsteigt, wird es richtig spannend! Viel interessanter fand ich aber die Ecken, von denen man im Laufe der Zeit so entdeckt, wie groß der Bedarf an Renovierungen und Sanierungen in einem so alten Gebäude ist. Davor habe ich im Laufe der Monate richtig Respekt bekommen, was da alles so an Aufgaben auf uns wartet.

Wie würden Sie das Gemeinschaftsgefühl an dieser Schule beschreiben?

Ich erlebe das Gemeinschaftsgefühl einerseits als großartig und erschrecke dann andererseits immer wieder, dass es trotzdem Situationen gibt, wo sich Schüler*innen oder Kolleg*innen als ausgegrenzt empfinden. Ich bin durchaus der Meinung, dass wir noch besser werden können. Grundsätzlich ist das Gefühl des „Wir“ am Katharineum aber etwas total Wichtiges und das lebt und das ist gut. Ich denke wir können und müssen beständig daran arbeiten dieses Gefühl weiter zu stärken.

Welche Projekte an der Schule interessieren Sie besonders?

Der Neustart der Arbeit der SV war ja sehr schnell, nachdem meine Arbeit hier begonnen hat, eines der zentralen Projekte und das finde ich nach wie vor hochspannend, weil für mich ganz wichtig ist, dass gelebte Demokratie in allen Ebenen der Schulen weiter das Schulleben prägt.

Wie war die Zeit im Lockdown (März) als Direktor?

Einsam. Denn mein Tag verlief genauso wie jetzt auch, ich war jeden Morgen am Schreibtisch, nur dass das Gebäude außer mir und Frau Bley und den Hausmeistern, bis auf einige Ausnahmen, ziemlich leer war. Das ist für Schule schon ein ziemlich erbärmliches Gefühl.

Was, glauben Sie, hat die Schule aber auch aus dieser Zeit mitnehmen können?

Also daraus kann man natürlich Vieles mitnehmen und für mich wurde das am aller deutlichsten am ersten Tag, als die Sechstklässler hier ins Haus zurückkamen. Nämlich die Wertschätzung der Gemeinschaft und des gemeinsamen Arbeitens hier vor Ort. Ich glaube, dieses Gefühl kann man nur entdecken, wenn es einem irgendwann einmal genommen wird. Das ist jetzt kein Plädoyer dafür, es möglichst regelmäßig wegzunehmen, aber es ist natürlich ein Lerneffekt, den man daraus ziehen kann. Und das Zweite, das ich sehr beeindruckend fand, ist, wie schnell es vielen Kolleg*innen gelungen ist, sich neue und kreative Formate von Unterricht auszudenken. Das hat natürlich nicht flächendeckend geklappt und das dauert ein Weilchen, bis die Dinge entstehen, aber ich habe da tolle Sachen gesehen.

Was macht die Corona-Zeit mit Ihnen persönlich?

Die Corona-Zeit führt bei mir persönlich dazu, dass mir die Zukunftsvisionen geklaut werden, so ist jedenfalls mein Gefühl. Alles, was man sich vorstellt, was man plant, was man in der Zukunft gestalten möchte, steht immer unter einem riesigen Vorbehalt und man weiß nie genau: Wann kann es losgehen? Kann es überhaupt losgehen? Man möchte gerne Dinge beginnen; man möchte Dinge gerne neu gestalten, planen, umsetzen, aber das große Fragezeichen darüber macht oftmals ein bisschen ratlos.

Schaffen Sie immer noch die Balance zwischen Arbeit und Entspannung?

Natürlich nicht jeden Tag, aber so in der Summe gelingt das. Es gibt immer wieder Phasen, in denen ich merke, es ist zu viel. Dann muss ich mich in der Tat selbst bremsen und mich dann mal von der Arbeit wegstehlen.

Wie viele E-Mails haben Sie pro Tag in Ihrem Postfach?

Das schwankt. Jenseits der einen genannten E-Mail heute waren es heute beispielsweise gar nicht viele E-Mails. Das bedeutet dann, dass es im niedrigen zweistelligen Bereich ist. Es gibt aber auch durchaus Tage, wo wir einen hohen zweistelligen Bereich haben, dreistellig ist es zum Glück nie.

Fahren Sie immer noch gerne mit dem Rad zur Schule?

Täglich!

Sind Sie froh, die Stelle angenommen zu haben?

Ja, absolut. Ich fühle mich nach wie vor wohl, die Arbeit macht Spaß, wenn nicht in jeder Minute, so aber doch, wenn ich mir die Woche angucke und auf die Woche zurückblicke. Dann gab es bislang eigentlich noch keine Woche, von der ich sagen konnte, auf diese Woche hätte ich lieber verzichtet.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer alten Schule?

Ja, gelegentlich. Das wird natürlich weniger. Ich bin in den Herbstferien nochmal in Rheinland-Pfalz gewesen und das ist dann immer ganz spannend und es ist ein komisches Gefühl, das Déjà-vu, an Orte zurückzugehen, an denen man lange Zeit gelebt hat. Aber es ist dann auch ganz spannend, wenn man sich selbst beobachtet, festzustellen, dass man wirklich nur Gast ist und gar nicht das Bedürfnis hat, wieder dort zu sein.

Ein Einsatz-Fazit zur bisherigen Amtszeit:

Ein spannender Weg, eine alte Schule in die Zukunft zu begleiten.

Was wünschen Sie sich für die kommenden 600 Tage?

Kein Corona (lacht). Und die Chance, Projekte wieder starten zu können, alte Projekte, aber auch neue Projekte.

 

Zum Abschluss ein Fragengewitter:

Lieblingssong? (Überlegt) Keiner.

Lieblingsbuch? Die Richtstatt von Aitmatow.

Lieblingsfilm? (Überlegt) Ne, keiner.

Bier oder Wein? Im Sommer Bier, im Winter Wein.

Tee oder Kaffee? Kaffee, aber bitte stark.

Kino oder Theater? Am liebsten Theater, sollte aber gut sein, sonst gehe ich ins Kino.

Notizblock oder Laptop? Beides.

Morgenmuffel oder Frühaufsteher? Frühaufsteher.

Pasta oder Pizza? Können wir das additiv lösen? 

 

Vielen Dank für das Interview!

Redaktion des Website-Teams

 

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