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Was macht eigentlich … Herr Hagen?

Was macht eigentlich … Herr Hagen?

Wir durften Herrn Hagen, einen ehemaligen Lehrer des Katharineums, zu seiner spannenden Lebensgeschichte interviewen. Herr Hagen hat nicht nur in Deutschland unterrichtet, sondern war vor allem im Ausland. Sein letzter Aufenthalt: Seoul in Südkorea. Wie ist es in Korea zu unterrichten? Und wie, dort zu leben? 

 

Was gefällt Ihnen an deutschen Schüler:innen?

Also ich muss ja ganz ehrlich sagen, die Schüler, die ich im Ausland hatte, das waren ja auch häufig Deutsche. Die waren entweder deutschlandaffin oder stammten aus Mischehen. Manchmal auch Kinder, die zwar z. B. zwei koreanische Eltern hatten, aber in Deutschland gelebt haben und dann weiterhin deutschlandverbunden waren. Ganz ehrlich, die sind eigentlich ganz ähnlich, mit dem Unterschied, dass man als Lehrkraft im Ausland eine andere Beziehung aufbaut. Hier ist es ja eher distanzierter, und ich höre auch oft von Kolleg:innen, dass sie es nicht mögen, in der Nähe ihrer Schülerschaft zu wohnen, und das habe ich nie so empfunden. Denn im Ausland unterrichtet man dann z.B. oft die Kinder von Kollegen oder anderen Deutschen, die man auch sonst kennst, weil sie ebenso wie man selbst die Ausländer in der Fremde sind. Ihr kennt das doch auch, dass auf Klassenfahrten immer der Platz neben dem Lehrer frei bleibt – und das ist da eben anders, weil man sich so oft über den Weg läuft, dass die sich eher freuen, wenn sie einen wieder mal treffen.

 

Und was nervt Sie an deutschen Schülern?

Eigentlich gar nichts. Langweilig, oder? Also, was ich mir manchmal wünschen würde – vielleicht ist das hier auch gar nicht angebracht –, dass man einfach mehr voneinander weiß. Bei vielen hier weiß ich überhaupt nichts über sie, was mich im Grunde ja auch nichts angeht. Aber es ist natürlich nett, wenn man sich täglich sieht, dass man vielleicht mehr weiß, als nur den Namen des Schülers. Im Ausland bekommt man mehr mit vom Umfeld, was eigentlich ganz interessant ist.

 

Wann waren Sie eigentlich am Katharineum und wie lange?

Also, ich war hier drei Jahre lang, und jetzt muss ich mal rechnen – das müsste 2014 bis 2017 gewesen sein.

 

Welche Fächer unterrichten Sie?

Englisch, Geographie und DaZ, aber das habe ich noch nie benutzt.

 

Welches Fach mögen Sie lieber und warum?

Ich find die eigentlich beide gut. Das ist jetzt wahrscheinlich eine diplomatische Antwort. Ich hätte manchmal gerne noch ein drittes Fach dazu, und zwar Sport oder Werken. Irgendein Fach, bei dem es nicht primär darum geht, mit dem Kopf zu arbeiten.

 

Warum haben Sie sich denn für Englisch und Geographie entschieden?

Es gibt ja manche, die können ganz viel, und andere müssen erstmal überlegen: Was kann ich denn eigentlich so gut, dass ich daraus was machen kann? Geographie war mir relativ schnell klar, weil ich davor kurz Volkswirtschaft studiert habe. Das fand ich immer total interessant, also wirtschaftliche Zusammenhänge, und da gibt es ja auch einen großen Bereich in der Geographie. Der hat mit dem Gradnetz nichts zu tun, aber eben Wirtschaftsgeographie, also so etwas wie Entwicklungsländer und Globalisierung.

Englisch konnte ich immer ganz gut, weil wir Verwandte in Amerika haben, und da habe ich in den Sommerferien oft gearbeitet. Das konnte ich eben und dann habe ich gedacht – mach ich das.

Eigentlich wollte ich gar nicht Lehrer werden. Am liebsten wollte ich gar nichts werden, sondern einfach ohne Job leben, aber dann nach meinem VWL-Studium fand ich den Lehrerberuf doch eigentlich ganz schön.

 

Sie haben ja im Ausland unterrichtet. Wo genau waren Sie überall?

Ich war in Griechenland – das war meine erste Stelle nach dem Referendariat. Ich habe in Berlin das Referendariat gemacht und dann hat es mich ins Ausland gezogen. In Griechenland war ich in Thessaloniki. Nach Griechenland war ich erstmal in Mölln. Danach lebte ich in China, in Shanghai. Das war noch, bevor ich am Katharineum unterrichtet habe. Nach China war ich dann am Katharineum. Danach wieder im Ausland, in Korea in Seoul, und jetzt bin ich am Johanneum.

 

Und wo war‘s am schönsten?

Ich glaube, das kommt aufs Alter an. Früher fand ich es überall schöner als in Lübeck, muss ich sagen. Mittlerweile – ganz ehrlich, ohne das negativ auszudrücken, es ist ja eher geruhsam in Lübeck – finde ich es am schönsten hier. Allerdings mit der Option ab und zu wegzugehen.

 

Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen in Asien zu unterrichten?

Erstmal erklärt man sich als Kandidat für das Auslandsschulwesen grundsätzlich bereit, ins Ausland zu gehen. Dann muss man sich über Schulleiter und Land beim Bund bewerben. Denn die deutschen Auslandsschulen werden vom Bund unterstützt, und der Bund vermittelt die Lehrkräfte. Dann wird eine Kartei von einem erstellt, in der beispielweise die Fächer und andere Kompetenzen stehen. Die Kartei können alle Schulleiter einsehen. Eigentlich kann man dann auch noch Regionen der Welt ausschließen, in die man nicht möchte, aber ich habe alles offengelassen, weil ich dachte: „Ablehnen kann ich immer noch.“ Und dann ruft einen irgendjemand an.

 

War das Schulsystem dann anders, oder haben Sie dann auch im Rahmen des deutschen Schulsystems unterrichtet?

In Griechenland war ich an einer sogenannten Begegnungsschule mit Griechen und Deutschen, die dann auch einen griechischen Abschluss gemacht haben, aber in China und Korea habe ich nur Deutsche unterrichtet, die dann auch einen deutschen Abschluss gemacht haben. Der Lehrplan war mir grundsätzlich auch vertraut.

 

Aus welchen Gründen waren viele Ihrer Schüler:innen deutsch?

Naja, grundsätzlich gehen eben die Kinder von den Familien, die bei einem deutschen Arbeitgeber zum Beispiel in Shanghai oder Seoul arbeiten, auf diese Schulen. Also ein paar von Continental, eine Autoreifenfirma, ein paar Botschaftskinder, Goethe-Institut, Lehrerkinder. Lufthansa ist da auch vertreten. Die haben weltweit Servicestellen, um Flugzeuge zu warten. Da haben wir auch ein paar Mechanikerkinder gehabt. Insgesamt waren es aber deutlich weniger als in China, da China viele ausländische Firmensitze hat, während in Korea eher inländische Firmen sind.

 

Wie wird Nordkorea in der Gesellschaft thematisiert? Ist das wie in Deutschland, dass eine Wiedervereinigung angestrebt wird?

Ich glaube, angestrebt wird das schon, aber die Grundvoraussetzung ist eine ganz andere. Hier war es ja ein Land, das geteilt wurde, und da waren es zwei Staaten, die sich auch bekriegt haben. Bis dann diese Demarkationslinie festgelegt wurde. Ich war da auch mal und habe mir das angeschaut, und da gibt es im Grunde überhaupt keinen Austausch.

 

Also waren Sie an der Grenze?

Ja, da kann man hinfahren. Man wird natürlich kontrolliert und die Amerikaner sind vor Ort, aber man kann beispielsweise in diese Baracke gehen, in der die sich immer treffen.

Ansonsten hat man mit Nordkoreanern keinen Kontakt. Die können ja nicht in den Süden einreisen. Einmal gab es einen Sponsorenlauf für nordkoreanische Flüchtlingskinder und -jugendliche. Es ist schon ein Thema in der Gesellschaft. Als Deutscher wird man auch oft gefragt: „Wie habt ihr das gemacht?“ oder „Wie ging das bei euch?“, aber ich glaube die Voraussetzungen sind einfach ganz andere.

 

Wie wurde Corona in Korea gehandhabt?

Es fing ja im Grunde bei uns an. Da hatte man hier noch nichts davon gehört. Das ging eigentlich relativ gut. Auch dadurch, dass die koreanische Mentalität immer das Gemeinwohl im Kopf hat. Die haben beispielsweise auch schon vor Corona Masken in Bus und Bahn getragen, wenn sie sich erkältet hatten. Einfach zum Schutz der Allgemeinheit. Das hat mich am Anfang meiner Zeit in Korea auch gewundert, aber daher kannte ich dann auch schon das Bild, dass Leute Masken trugen. Dann fing das irgendwann an, dass viel mehr Leute Masken trugen. Es war dann auch schwierig auszureisen, weil man sonst hinterher in Quarantäne gemusst hätte. Wenn man dann zwei Wochen Ferien hat, kann man halt nicht verreisen. Im Gegensatz zu hier wird das da ja auch überprüft. Die Behörden rufen einen an oder kommen vorbei. Ich habe das bei Bekannten mitbekommen: Die durften dann ihr Zuhause nicht verlassen und bekamen dann Sachen geliefert: Essen, Trinken, Desinfektionszeug etc. Der Staat hat dafür gesorgt, dass alle Bürger bestimmte Grundnahrungsmittel kostenlos gebracht bekommen haben.

Der Staat kennt aber auch deine Handynummer und die merken es, wenn sich dein Handy mit einem anderen Funkmast verbindet, oder sie kennen deine Bankkarte und bekommen es mit, wenn du die benutzt. Wenn man sich nicht an die Quarantäne gehalten hat, konnte einem beispielsweise das Visum entzogen werden. Der Staat hatte schon einen Überblick, wer wo ist und hat das auch teilweise in den Zeitungen namentlich veröffentlicht, wer wen angesteckt hat. Dafür gab es dann aber eigentlich keinen richtigen Lockdown, weil man die Zahlen so niedrig gehalten hat.

 

Haben Sie sich dann kontrolliert gefühlt oder war das ein komisches Gefühl für Sie?

Ne, eigentlich nicht. Dadurch, dass man in Korea als Ausländer aus Deutschland immer eine Sonderrolle im positiven Sinne spielt, weil es da einfach wenige Ausländer gibt, habe ich mich jetzt nicht in besonderer Weise kontrolliert gefühlt, eher beschützt. Also es gab halt eigentlich keinen Datenschutz, zumindest nicht nach unserem Verständnis.

 

Und wie war das in China?

Ich hatte nie das Gefühl, beobachtet zu werden, aber ich weiß, dass keiner anonym war. Ich erinnere mich auch, dass es während der Zeit des Volkskongresses kein Google mehr gab. Das konnte man dann nicht mehr benutzen, weil es für die Zeit deaktiviert war. So etwas gab es in Südkorea halt gar nicht.

 

Was haben Sie in Korea an Deutschland vermisst?

Laufen in der Natur. Ich laufe regelmäßig, und das ist hier echt toll, aber da konnte ich eigentlich immer nur auf Asphalt laufen. Manches Essen habe ich auch vermisst. Zum Beispiel Räucherfisch oder auch Schinken, Käse oder Joghurt. Das isst man in Korea kaum.

 

Und als Gegenfrage: Was vermissen Sie an Südkorea?

Man gewöhnt sich ja sehr schnell wieder an alles, aber was mir am Anfang gefehlt hat, war dieses Serviceorientierte. Wenn man in Korea beim Zahnarzt anruft, heißt es: „Sie können heute kommen oder morgen oder wenn es Ihnen passt.“ Wenn man dann länger als vier Minuten warten musste, haben die sich bei einem entschuldigt. Das ist hier ja ganz anders. Was auch okay ist, aber am Anfang kommt es einem hier dann recht ruppig vor.

Oder auch die Sicherheit. Das klingt vielleicht komisch, denn Deutschland ist ja eigentlich ein recht sicheres Land, aber da war das nochmal ganz anders. Du konntest im Restaurant, wenn du aufs Klo gehst, Handy und Portemonnaie auf dem Tisch liegen lassen und keiner nimmt es mit. Zum einen natürlich, weil überall Kameras hängen, aber auch, weil man das einfach nicht macht. Natürlich gab es auch Kriminalität, aber es war deutlich weniger. Als ich gerade wieder zurück in Deutschland war, wurde mir das Fahrrad aus der offenen Garage geklaut und das wäre in Korea eben nicht passiert.

Was ich auch vermisse, ist die tolle Urlaubsgegend. Man kommt ja deutlich schneller an Orte wie Laos, Thailand oder Vietnam. Das ist einfach eine schöne Gegend, um zu reisen.

 

Wie haben Sie die Altersentwicklung in Korea wahrgenommen?

Der Altersdurschnitt ist da vermutlich ähnlich wie hier. Also eine eher ältere Bevölkerung. Allerdings gehen Koreaner früher in Rente. Die ist aber geringer als in Deutschland, sodass viele Rentner danach freiwillig zum Beispiel als Taxifahrer weiterarbeiten. Dadurch bekommt man grundsätzlich mehr von der älteren Generation mit.

 

Wie war der öffentliche Nahverkehr?

Hier in Deutschland ist der Nahverkehr an sich echt gut, aber da war das – ähnlich wie in Japan – so, dass die Busse und Züge deutlich pünktlicher und moderner sind. Es gibt zum Beispiel eine App, mit der man alle Busse tracken kann. Dadurch konnten auch unsere Kinder, die kaum koreanisch konnten, die Busse problemlos benutzen. Zudem sind die Menschen hilfsbereiter.

 

Gibt es etwas, das Deutschland von Korea lernen kann?

Das Miteinander. Das fand ich schon beachtenswert. Es ist zum Beispiel üblich unter älteren Menschen, beim Wandern eine Tüte und so einen Greifer mitzunehmen und unterwegs den wenigen Müll einzusammeln.

 

Haben Sie etwas in Korea gelernt?

Schinken räuchern. Gab es da ja nicht, also habe ich den nachts verbotenerweise selbst geräuchert. Apfelwein herstellen habe ich auch gelernt. Das kennt man da auch nicht. Und koreanisches Bogenschießen. Das ist ein Volkssport, und es gibt richtige Anlagen in Seoul. Man muss das aber auch richtig lernen, um die traditionellen Abläufe zu beherrschen.

 

In welchen Ländern würden Sie denn noch gerne unterrichten?

Da gibt es ein paar. Im Moment würde ich das gar nicht wollen mit Corona, aber grundsätzlich würde mich Afrika interessieren. Auch so etwas wie Usbekistan oder Kasachstan oder auch Osteuropa.

 

Welche Lebensweisheit würden Sie Schüler:innen mit auf den Weg geben?

Einer meiner Kollegen sagt seinen Schülern immer: „Die Welt ist größer.“ So etwas in der Art. Ich finde reisen einfach wahnsinnig interessant; sich anzugucken, wie andere Leute leben und ihr Leben gestalten und man merkt dann oft auch, dass es auch ganz anders geht, als man es kennt.

 

Haben Sie Pläne für die Zukunft?

Ein Sabbatjahr. Ich würde gerne ein Jahr reisen, aber ich warte noch, bis meine Kinder aus dem Haus sind. Die haben jetzt viermal gewechselt und sollen jetzt erstmal die Schule beenden dürfen.

 

Dann haben wir noch ein Fragengewitter vorbereitet:

 

Deutschland oder Korea?

Deutschland.

Unterwegs oder zu Hause?

Unterwegs.

Analog oder digital?

Analog.

Winter oder Sommer?

Frühling.

Draußen oder drinnen sein?

Draußen.

Bevorzugtes Verkehrsmittel?

Fahrrad.

Beste Lockdownaktivität?

Laufen gehen.

Johanneum oder Katharineum?

Och ne, hört doch auf. Ganz ehrlich – beide gut! Ich habe mich an beiden Schulen echt wohlgefühlt.

 

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben!

Redaktion der Homepage-AG

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