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Was macht eigentlich… Sarah Fetscher?

Was macht eigentlich... Sarah Fetscher?

Erste-Hilfe-AG, Schüler*innenbücherei, SV, Stadtschüler*innenparlament, Mediator*innen, Handy-Scouts, Greenpeace, Website-AG – welchen Namen verbindet man mit all diesen AGs und Organisationen? Natürlich Sarah Fetscher! Zwei Jahre nach ihrem Abi wollte sich die Website-AG mal erkundigen, wie es ihr geht und was sie im Moment macht, und sich natürlich nach ihrem momentanen Engagement erkundigen! Wir haben uns sehr gefreut, das Interview trotz der aktuellen Situation per Videokonferenz zwischen Lübeck und Tübingen führen zu können!

 

Für die, die dich nicht mehr kennen, wer bist du?

Ich bin Sarah, inzwischen 20 Jahre alt und habe 2018 mein Abi gemacht und die acht Jahre davor war ich sehr gerne am Katharineum Schülerin.

 

Wie war die Abifeier 2018?

Wahrscheinlich ganz anders als die, die es 2021 geben wird, denn wir hatten kein Corona. Unsere Abifeier war dadurch getrübt, dass eine Mitschülerin kurz vorher gestorben war, aber gerade deshalb war es eine sehr besondere und wichtige Feier für uns.

Gefühlt ist das jetzt aber auch schon wieder ganz, ganz lange her … (lacht)

 

Hast du nach deinem Abi noch ein “gap year” gemacht?

So halb, also ich habe ein halbes “gap year” gemacht. Ich habe erst drei Monate in Marokko verbracht und da in einem Waisenhaus gearbeitet und danach drei Monate eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin gemacht und dann im Sommer angefangen zu studieren.

 

Kannst du diese Art der Auszeit empfehlen oder hättest du es rückblickend anders gemacht?

Ich fand es für mich sehr schön und total gut, nach dem Abi in eine ganz andere Welt einzutauchen und mich nicht so viel mit komplexen Tätigkeiten zu beschäftigen, sondern so ganz grundlegende Dinge zu tun, nämlich mich den ganzen Tag mit einjährigen Kindern zu beschäftigen, die essen und Ball spielen wollen.

Ich würde es nicht nochmal machen wollen, weil die Zeit für mich sehr schön war, aber ich es nicht wirklich sinnvoll fand, dass ich da gearbeitet habe. Ich habe dort eine Stelle besetzt, die eigentlich von kompetenten, einheimischen Leuten hätte gefüllt werden können, die dann auch noch Geld verdient hätten. Also ich sehe das im Nachhinein kritisch, dass ich das gemacht habe, fand es für mich aber eine tolle Erfahrung.

 

Was hättest du also stattdessen gern unternommen?

Ich hätte entweder etwas in meiner eigenen Gesellschaft oder Kultur gemacht, um mich dort zu engagieren oder wäre einfach nur gereist. Das hätte ich ehrlicher gefunden, als in Marokko so zu tun, als ob ich die Welt retten würde.

 

Was hast du in Marokko für Erfahrungen gemacht?

Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden, auch weil ich nicht nur Englisch gesprochen habe, sondern auch Französisch und ungefähr fünf Wörter Arabisch. Die haben aber ausgereicht, weil viele Leute total begeistert waren, wenn ich versucht habe, ihre Sprache zu lernen. Marokko ist eine sehr spannende Kultur, weil sie so schwankt zwischen sehr westlich, wirtschaftlich hochleistend, modern, und auf der anderen Seite, was wir wohl traditionell nennen würden, dass die Familie sehr wichtig ist. Das Frauenbild ist sehr unterschiedlich, je nach den gesellschaftlichen Gruppen, in denen du dich bewegst.

Ich habe generell nicht nur eine Gesellschaft dort kennengelernt, sondern viele verschiedene in einem Land. Das hat mir gezeigt, dass es wahrscheinlich immer viele Gesellschaften in einem Land gibt und ich deshalb hier in Deutschland auch endlich mal mehr aus meiner Blase herauskommen möchte.

 

Was für ein Studium hast du begonnen und wo?

Im tiefen Süddeutschland, ganz weit weg, nämlich in Tübingen (lächelt) und ich studiere im vierten Semester evangelische Theoligie auf Pfarramt.

 

Warum hast du dich für dieses Studienfach entschieden?

Ich finde es das absolut schönste Studienfach der Welt, es ist nicht zu toppen. Ich finde es einen ganz großen Luxus, mich mit den großen Fragen des Lebens im Studium beschäftigen zu dürfen. Es ist trotzdem wissenschaftlich und auch nicht immer einfach. Ich finde es schön, dass mein Studium mit dem, wie ich lebe und was ich später machen will, ganz, ganz viel zu tun hat. So kann ich mich und meinen Glauben nicht ausklammern, was es zwar anstrengend macht, aber gleichzeitig auch wichtig. (lacht) Jede noch so langweilige Vorlesung hat immer einen Bezug zu meinen Werten und mir.

Außerdem studieren es sehr spannende Leute, solche, die bewusst studieren, anders jetzt zum Beispiel als das BWL- Klischee (das ich gar nicht für so unglaublich zutreffend halte). Aber bei Theologie ist es auf jeden Fall nicht so. Das führt dazu, dass es viele besondere Einzelpersönlichkeiten sind, die Theologie studieren, das finde ich sehr spannend.

 

Habt ihr auch praktischen Unterricht? Predigt schreiben?

Das haben wir leider viel zu wenig, das mache ich zum Großteil erst in meiner praktischen Ausbildung nach 10 bis 12 Semestern Theorie. Aber tatsächlich schreibe ich gerade in einem Seminar eine Predigt, was ziemlich cool ist.

 

Muss man am Ende des Studiums die gesamte Bibel können?

Ne, also ich muss eine Prüfung ablegen, da muss ich das Neue Testament zum größten Teil und ein wenig vom Alten Testament gelesen haben und ein paar wichtige Stellen auswendig können. Es geht aber nicht darum, dass du so furchtbar viel auswendig lernst, sondern dass du Fragen und Antworten in der Bibel findest, die für die Menschen heute wichtig sind.

 

Fiel dir die Entscheidung schwer oder wusstest du, dass du genau das machen willst?

Ich habe damit schon lange geliebäugelt und habe so ein bisschen als Test Religion im mündlichen Abi dazugewählt und hatte an der Vorbereitung sehr viel Freude und die Prüfung lief auch ganz gut und danach habe ich mir das ernsthaft überlegt. Ich habe da allerdings noch immer zwischen Medizin und Theologie geschwankt. Ich habe deshalb dann noch diese Rettungssanitäterausbildung gemacht, habe aber gemerkt, dass ich das zwar gerne mache, meinen Platz jedoch in der Theologie sehe. Das habe ich bis heute auch noch keinen Tag bereut.

 

Könntest du uns in Sachen Studiumsfindung etwas empfehlen?

Ich glaube, es gibt einen großer Unterscheid zwischen theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung. Als ich überlegt habe zu studieren, bin ich zu meiner Tante nach Berlin gefahren und habe mich da ganz frech in die Univorlesungen reingesetzt und wusste dann z.B. von VWL nach fünf Minuten, dass ich das nie studieren möchte. (lacht)

Ansonsten Leute fragen, die in dem Bereich studieren oder eine Ausbildung machen und zum Beispiel mal Youtubevorlesungen anschauen. Und sich nicht so viel Gedanken machen, was mensch damit später beruflich machen kann, weil das bei den Leuten, die ich kenne, sowieso immer anders ankommt als geplant…

 

Was planst du nach dem Studium oder für deine nahe Zukunft?

Ich will nach meinem Studium Pfarrerin werden. Das heißt, ich mache nach den ersten 10 bis 12 Semestern mein erstes theologisches Examen (ähnlich einem Staatsexamen in Medizin) und danach wird dann mein Vikariat kommen, also meine zwei Jahre Praxisausbildung. Die möchte ich in der Nordkirche, also in Norddeutschland, machen. Danach werde ich mein zweites Examen machen und möchte dann ganz klassich Gemeindepfarrerin werden. Ich kann mir aber irgendwann auch vorstellen, eine Sonderpfarrstelle zu machen, mit Schwerpunkt Seelsorge oder interreligiöser Dialog oder so …

 

Hast du so eine Art “Traumkirche”?

Ne, also ich habe gerade Lust auf kirchliche Gemeinden, die nicht schon gleich so krass und motiviert wirken, sondern würde mich über eine Kirche freuen, in der noch viel Raum für neue Projekte ist. Ich hätte auch Lust, viel mit Kindern, alten Leuten und Menschen aus verschiedenen Hintergründen zu machen, die sich dort treffen und ins Gespräch kommen.

Eine Gemeinschaft finden und sozial wirken, auch über den Stadtteil oder das Dorf hinaus, das fände ich wichtig und schön.

 

Wie geht es dir in der jetzigen Pandemie-Situation?

Meine Fakultät war sehr undigitalisiert vorher, ich habe für alle meine Veranstaltungen immer noch so Papierzettel ausfüllen und unterschreiben lassen müssen. (lacht)

Die haben durch Corona einen richtigen Digitalisierungsschub gekriegt. Das war anfangs anstrengend und auch holprig, aber das läuft mittlerweile richtig, richtig gut. Ich lerne viele spannende Sachen und kann mich wirklich nicht beklagen! Die Veranstaltungen machen Spaß, die Dozierenden geben sich große Mühe, das einzige, was mir wirklich fehlt, ist der Austausch mit vielen verschiedenen Menschen; das lässt sich durch Zoom, glaube ich, auch nicht ersetzen.

Aber mit dem, was ich fachlich lerne, bin ich genauso glücklich wie vorher. Einzig der Unterricht wurde auf 60 Minuten Vorlesung verkürzt und wir machen mehr zuhause. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich nicht weniger lerne.

 

Was vermisst du vom Katharineum oder am “Zur-Schule-gehen”, denkst du überhaupt noch dran?

Durch meine beiden Brüder, die am Katharineum noch herumlungern, ist es für mich doch noch relativ präsent. (lächelt)

Mhh, ich glaube, ich vermisse, dass es so eine kleine Welt für sich ist, in der ich ganz viele Möglichkeiten hatte, irgendwelche Dinge auszuprobieren. Vieles, was ich organisiert habe, würde ich rückblickend anders machen, aber ich habe ganz viel dadurch gelernt, dass ich diesen Freiraum hatte. Diesen Freiraum, dass ich alles ausprobieren konnte, was nur ein bisschen sinnvoll erschien, diesen Freiraum vermiss ich schon sehr.

 

Vermisst du denn auch uns Website-AG?

Selbstverständlich! Ich schau auch durchaus alle paar Wochen mal auf die Website. (Anm. d. Red.: Sehr schön!!) Ihr habt viele neue Ideen und Artikel-Formate, die ich mir gerne angucke. Ich freue mich auch immer, wenn mir irgendwas Neues auffällt, wie eine geänderte Menüstruktur.

 

Hat dich jemals jemand wieder nach deiner Schule gefragt oder nur noch nach dem Schnitt und wenn ja, geht der Ruf des Katharineum wirklich über die Ländergrenzen hinaus?

Gute Frage … Nach meinem Schnitt werde ich glücklicherweise selten gefragt, auch weil ich mit Theologie etwas ohne NC studiere. Es wird sich oft nach meiner Schulzeit erkundigt, wenn das die Leute interessiert. Viele kennen auch Lübeck und manche den Namen des Katharineums dunkel, “weil da Thomas Mann doch irgendwie so böse Dinge drüber geschrieben hat” (lacht). Aber von einem großen Ruf des Katharineums in Süddeutschland kann ich nicht berichten.

 

Prägt einen die Schule sehr? Hast du das Gefühl, viel für dein Leben mitgenommen zu haben?

Ja, ich würde sagen, ich habe sehr viel Prägung durch die Schule erhalten. Aus manchen Unterrichtsfächern, habe ich jetzt im Studium wieder gemerkt, habe ich doch mehr mitgenommen als gedacht. (lacht)

Auch durch die ganzen Dinge, die am Katharineum noch so nebenher laufen, die ganzen Arbeitsgemeinschaften und Aktivitäten, durch die ich auch sehr viele verschiedene Menschen kennengelernt habe, wurde ich sehr geprägt.

Die Mentalität des Katharineums, dass mensch, wenn einen etwas stört, es einfach anpackt und verändert, fand ich immer schön und habe ich auch mitgenommen.

 

Hattest du noch einmal Kontakt mit ehemaligen Lehrkräften und haben die dich anders behandelt als noch als Schülerin?

Ich habe Kontakt zu Herrn Hampel – ich muss aber inzwischen Dietmar sagen, sonst muss ich Geld zahlen, wenn ich ihn sieze. (lacht) Es müssen ihn eigentlich alle Menschen duzen, die im Orchester waren und Abi gemacht haben. Dietmar treffe ich ab und zu noch beim Krippenspiel, andere Lehrer sonst bei den Musicalaufführungen meiner Brüder. Es verschiebt sich aber schon ein bisschen, also manchmal frage ich dann auch einen ehemaligen Lehrer von mir, wie es ihm denn jetzt geht oder so, das hätte ich früher nicht gemacht. (lacht)

 

Wie sieht das aus mit dem Kontakt zu deiner alten Klasse und Freund*innen, ist es sehr schwer die Verbindung zu halten und hattet ihr schon einmal ein Klassentreffen?

Klassen- oder Jahrgangstreffen hatten wir noch nicht. Ich habe mit einigen wenigen Leuten aus meiner Schulzeit noch richtig Kontakt, und von vielen weiß ich über drei Ecken, was sie gerade so machen. Ich fand es eigentlich ganz gut, dass man nicht mehr zu allen Leuten Kontakt hatte, weil ich irgendwo auch aus dieser Blase des Katharineums heraus und andere Teile der Welt sehen wollte. Ich hab mit den Leuten, mit denen ich wirklich Kontakt haben will, noch Kontakt, aber bei den anderen freue ich mich natürlich immer, sie nochmal wieder zu treffen. Es ist schön, sich ab und zu wiederzusehen und sich zu updaten, weil ich es total spannend finde, zu sehen, was aus den Leuten geworden ist, mit denen man so lange zur Schule gegangen ist, um dann festzustellen, dass die Wege doch so unterschiedlich sind.

 

Behältst du noch im Auge, was so in der alten Heimat passiert?

Ja! Ich stalke gerne regelmäßig die Website (lacht) und habe ja auch meine Brüder und Familie hier in Lübeck und während des Corona-Sommers war ich auch wieder in Lübeck und habe von zu Hause aus gelernt.

 

Hast du immer noch so viele Hobbys und bist noch so engagiert, wie wir dich kennen?

Was eilt mir da für ein Ruf voraus? (lacht) Ich habe mir am Anfang vom Studium vorgenommen, nicht mehr so viele Dinge parallel zu machen, sondern weniger, aber dafür intensiver. Vor Corona war ich trotzdem sehr schön beschäftigt, im Moment ist es in Tübingen ganz entspannt. Ich mache hier sehr viel mit foodsharing, das ist eine Organisation, die sich für die Rettung von Lebensmitteln einsetzt (die gibt es übrigens auch in Lübeck!), und organisiere ein Nachhilfteprojekt für Kinder aus finanziell schwachen Familien. Eigentlich singe ich auch im Unichor, wenn nicht gerade Corona ist, und mache einen Tanzkurs … wenn nicht gerade Corona ist.

Anm. d. Red.: Also immer noch sehr engagiert!

 

Hast du noch einen Tipp für den jetzigen Abijahrgang?

Lebensweisheiten und so? (lacht) Ich weiß nicht, ob ich schon alt genug bin, um welche zu verteilen …

Viele machen sich ja einen relativ großen Kopf, was sie nach dem Abi machen und welche Ausbildung sie machen oder welches Fach sie studieren sollen. Aber ich habe zum Beispiel angefangen Politikwissenschaften zu studieren, fand es doof und habe wieder aufgehört. Auf den Weg, den man einmal eingeschlagen hat, ist man nicht ein Leben lang gefesselt.

Ihr könnt also mutig sein und etwas ausprobieren. Für mich ist Studium eine so grandiose Zeit, wo mensch in den meisten Fällen nur für sich verantwortlich ist, frei ist, Studienorte oder Fächer zu wechseln, und so wirklich viel ausprobieren kann. Da muss mensch sich gar nicht so einen Kopf machen, dass die erste Wahl direkt stimmen muss. Dadurch, dass ich zum Beispiel erst noch Politikwissenschaften studiert habe, wusste ich um so mehr, dass Theologie das Richtige ist!

 

Fragenhagel:

Bester Tipp gegen Heimweh? Viel in der neuen Stadt unternehmen!

Lieblingsbuch? “Momo” von Michael Ende.

Empfehlenswerte Serie oder Film? Der Club der toten Dichter.

Nie mehr reisen oder nie mehr küssen? Nie mehr reisen. (lacht)

Lustigstes französisches Wort? Ihr überschätzt mein Französisch. (lacht) Ich finde das Wort “le cauchemar” (zu deutsch: Alptraum) ein cooles Wort, weil Herr Hegge das im Unterricht immer benutzt hat.

Schönste Stadt? Lübeck!

Zug oder Bus? Zug, weil es ökologischer ist.

Abdancen oder deep talk? deep talk.

WG oder eigene Wohnung? WG, auch wenn ich gerade alleine wohne. (lächelt)

Wen würdest du am wenigsten in einer Sauna treffen wollen? Donald Trump.

Sparfuchs oder Lebefrau ;)? Lebefrau, auch wenn ich das hier in Schwaben nicht sagen darf.

Bei wie viel Akku wirst du nervös? Bei meinem Handy ist es mir egal, bei meinem Laptop ab 5%, wenn ich etwas noch nicht zwischengespeichert habe.

Zeitreise, welches Jahr? Wird jetzt richtig theologisch: zu Lebzeiten Jesu, also irgendwann, da könnten wir uns jetzt drüber streiten, wann das war, sagen wir 30 n.Chr.

Letztes Wort an die Leser*innen: Genießt die Zeit am Katharineum, sie kommt nicht wieder!

Vielen Dank an Sarah für das interessante Interview. Schön, dich wiedergesehen zu haben! 

Redaktion des Website-Teams

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